Tag des BiersAn diesen Berner geht der Bierorden
Mich Gfeller kennen Gerstensaftliebhaber aus dem Laden Drinks of the World. Der Biersommelier wird nun vom Brauereiverband ausgezeichnet.

750 Sorten in 60 Stilen – dieses Sortiment hat Mich Gfeller im Getränkeladen Drinks of the World aufgebaut. Und das sind längst nicht alle, die er in seinem Leben probiert hat. Der ausgebildete Biersommelier arbeitet seit 2003 in der Berner Filiale am Bahnhof Bern und hat sich zum Diplom-Biersommelier ausbilden lassen. Er braut mit Brauereien Partnerbier, gerade aktuell ist eine Kollaboration mit dem Alten Tramdepot in Bern.
In seiner Freizeit organisiert er Degustationen, besucht Hefe-Workshops, bringt von Städtereisen Bier als Souvenirs mit nach Hause und besitzt einen Keller mit gelagerten, alten Bieren. Alles in ihm und um ihn dreht sich um den Gerstensaft. Ausser privat selber brauen. Das tut er aus zwei Gründen nicht: «Brauen ist viel Putzarbeit, und ich habe sowieso keine Zeit.»
Dass ihm nun am Tag des Biers, der alljährlich am 30. April stattfindet, der Bierorden «Ad gloriam cerevisiae» verliehen wird, erstaunt also nicht. Den Orden verleiht jeweils der Schweizer Brauereiverband an Menschen, die besonders viel Engagement fürs Bier zeigen. Gfeller reiht sich damit in die Reihe von illustren Personen ein: Sänger Baschi, Schauspielerin Kiki Maeder, Kabarettist Mike Müller, Bundesrat Ueli Maurer, Alt-Stapi Alexander Tschäppät und Casino-Präsident Hans Traffelet.
Der 39-jährige Mich Gfeller wurde gleichzeitig wie die Craft-Bier-Branche gross. Eigentlich ist er gelernter Polygraf, der schon in der Lehre merkte, dass diese Berufswahl ein Fehler war. Nachdem er auf einer Reise in Schottland Whiskey entdeckt hat, kehrte er heim und unterschrieb kurz darauf den Vertrag als Verkäufer bei Drinks of the World von Stefan Müller. Heute hat der Laden acht Filialen in der Schweiz. Damals fand man primär ein Lager aus vielen Ländern im Sortiment, das hat sich heute stark geändert. Auch dank Mich Gfeller.

Nachfolgend fünf Schmankerl aus seinem Bierwissen:
100 Prozent Schweiz sind selten

Nach deutschem Reinheitsgebot besteht Bier aus Wasser, Gerste und Malz. Davon stellt der Malz die Schwierigkeit dar. Kürzlich schaffte es auch die Burgdorfer Brauerei Blackwell, ein Bier aus 100 Prozent Schweizer Produkten zu brauen. Die meisten Brauereien importieren Malz aus Deutschland und England. Seit einigen Jahren wird der Anbau von der Interessengemeinschaft IG Mittelland Malz vorangetrieben, dort ist Mich Gfeller ebenfalls Mitglied.
Passendes Bier zum Essen

Welches Bier kredenzt man zu welchem Essen, darüber könnte man ganze Bibliotheken mit Büchern füllen. Das beste Buch, das Mich Gfeller bisher darüber gelesen hat, stammt von Koch Rolf Caviezel. Gfeller mag Austern mit Stoutbier, weil die Röstaromen vom Malz und das Salzige der Muscheln sich ergänzen. Oder ein belgisches Geuze mit Miesmuscheln, ein Sauer-Ale mit Geisskäse. Scharfe Speisen kombiniert er mit bitteren Bieren, weil das Bittere das Scharfe neutralisiert und umgekehrt.
Flaschenbiere sind lagerbar

Gerade im Lockdown ist in vielen Restaurants das Offenbier abgelaufen, bei diesen Fässern ist Hopfen und Malz verloren. Bei verschiedenen Flaschenbieren mache es sogar Sinn, sie ablaufen zu lassen, sagt Mich Gfeller, weil sie erst nach dem Ablaufdatum volles Potenzial entwickelten. Das Doppelbock von Schneiders Weisse beispielsweise rühmt Gfeller in den höchsten Tönen: Wenn es fünf Jahre über dem Zenit ist, werde es komplexer, die Estertöne – das Nebenprodukt von Hefe, welches nach Bananen schmeckt – treten in den Hintergrund, dafür kommen Waldbeeren- und Cognac-Noten zur Geltung.
Die Bedeutung der Zutaten

Wer selber Bier braut, erkennt die Fehler eher, primär weil er sie selber gemacht hat. Hat es genug Kohlensäure? Schmeckt das Bier nach dem vorgesehenen Bierstil? Nebst dem Geschmack betont er auserlesene Zutaten wie gutes Malz. Ganz wichtig ist, beim Hopfen nicht bei der Qualität zu sparen.
Nur für Hipster?

Während früher primär Lagerbiere im Drinks of the World gekauft wurden, erwarten Gfellers Kundinnen heute eine kompetente Beratung. Viele der Brauereien werden ihm vom Importeur oder direkt von den Brauereien vorgestellt, damit er weiss, wie die Biere gebraut wurden. Umgekehrt gibt Gfeller dem Importeur auch Tipps von Mikrobrauereien. «Leute sind bereit, fünf bis neun Franken für ein gelagertes Bier und gute Beratung zu zahlen», sagt Gfeller. Wie beim Essen eines Stück Fleischs konsumieren die Leute auch ihr Bier bewusster.
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