Halbmarathon-WM in PolenAm liebsten würde Wanders die Vergangenheit kopieren
Nach missratener Bahnsaison startet der Genfer als Europarekordhalter an der Halbmarathon-WM in Polen. 2018 war er noch bester Europäer.

Sie waren ehrlich, die Worte, die Julien Wanders nach seinen unbefriedigenden 5000-m-Rennen in Monaco und Göteborg im August fand. Aber sein Statement, mit dem sich der 24-Jährige an seine Fans auf Instagram richtete, war auch trotzig.
Die Bahnsaison sei nicht so gewesen, wie er sie sich vorgestellt habe, gab er zu. Und er wisse, dass die meisten ihm nun wieder anraten würden, von der Bahn ganz auf die Strasse zu wechseln. «Aber wisst ihr was? Ich habe es noch nicht gesehen auf der Bahn! Die meisten Leute würden an dem Punkt aufgeben, an dem ich bin, und den einfachen Weg wählen. Aber ich bin nicht ‹die meisten Leute›. Ich glaube daran.» Will heissen: Findet Olympia 2021 statt, wird der Genfer in Japan auf der Bahn antreten.
Am Samstag läuft Wanders auf der Strasse, an der Halbmarathon-WM in Gdynia (POL). Bis auf wenige Wochen im Sommer verbrachte er das Corona-Jahr in Kenia und hat eine komplizierte Zeit hinter sich.
Das Jahr begann im Januar zwar mit einem Europarekord über 10 km auf der Strasse, aber schon der Februar mit dem Halbmarathon von Ras al-Khaimah in den Emiraten brachte die erste Enttäuschung. Wanders kämpfte mit Atembeschwerden, blieb auch in den Wochen danach im Training blass, «bis wir beschlossen, eine Pause einzulegen. Die bronchitisartigen Beschwerden verhinderten eine genügende Sauerstoffzufuhr», sagt sein Trainer Marco Jäger, der den Läufer von Genf aus betreut. Wanders war gegen eine Rückkehr in die Schweiz, auch im April, als die Pandemie in Kenia alles lahmlegte.
Im Nachhinein glaubt Jäger, dass Wanders seine gesundheitlichen Defizite bis in den Sommer verschleppt hat. «Im Training war ihm das zwar nicht mehr anzumerken. In Monaco und Göteborg aber, als seine Konkurrenten über 5000 m auf der zweiten Hälfte noch einen Gang höher schalten konnten, war bei ihm fertig», sagt er.
Der Körper habe nicht mehr auf die Wünsche des Kopfes reagiert. «Die Sauerstoffaufnahme war noch immer nicht optimal», glaubt er. Medizinisch untersucht hat Wanders die Schwäche nicht, nach der Enttäuschung in Schweden reiste er sofort zurück nach Iten zur Vorbereitung der Halbmarathon-WM.
Allein 18 Ostafrikaner am Start
Zu ein bisschen mehr Selbstvertrauen auf der Bahn haben diese beiden Wettkämpfe natürlich nicht beigetragen. Nach einer ebenfalls ernüchternden WM in Doha vor einem Jahr liegt das letzte Glanzresultat auf der Bahn 15 Monate zurück: Im Sommer 2019 lief Wanders in Hengelo Schweizer Rekord auf der langen Distanz.

An der Halbmarathon-WM vor zwei Jahren in Valencia allerdings war er als Achter bester Europäer. Im vergangenen Jahr lief er über diese Distanz in 59:13 Minuten sogar Europarekord. Doch die Aufgabe dürfte am Samstag im polnischen Gdynia (Start 12.30 Uhr) um einiges schwieriger werden. Weil es die einzigen Titelkämpfe in diesem Jahr sind, ist das Startfeld ungemein gut besetzt, das Niveau wird höher sein als damals in Spanien. Trainer und Athlet gehen davon aus, dass die Atembeschwerden ganz überwunden sind, Wanders jedoch ist vorsichtig mit einer Prognose. Ein Top-Ten-Platz in einem Feld mit allein 18 Ostafrikanern würde er bereits als Erfolg bezeichnen, es tönt, als kopierte er am liebsten die Vergangenheit.
Schlumpf in Rekordform?
Mit Marathon-Rekordhalter Tadesse Abraham und EM-Medaillengewinnerin Fabienne Schlumpf ist in Gdynia ein Schweizer Trio am Start. Weil die Rennen in seiner Spezialdisziplin fast alle abgesagt wurden, fokussierte auch Abraham auf den Halbmarathon. Er scheint in Form, in 28:30 Minuten wurde der 38-Jährige vor zwei Wochen Meister über 10 km auf der Strasse – und verpasste seine Bestzeit von 2013 nur um wenige Sekunden.
Schlumpf ihrerseits hat gute und schlechte Erinnerungen an die WM 2018: In 1:10:36 Stunden lief sie Schweizer Rekord (in einem reinen Frauenrennen) – mit erheblichen Magenproblemen. Nach einem verletzungsfreien Jahr und verbesserten Zeiten auf kürzeren Distanzen glaubt die Zürcher Oberländerin, auch in Polen um einiges schneller sein zu können.
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