Als wolle man Zuckerwatte in einem Windkanal essen
Ohne Phil Taylor hätte das lange Zeit verruchte Spiel mit den Pfeilen nicht jene Strahlkraft, die es heute besitzt. Der Mann aus Stoke-on-Trent hievte seinen Sport in neue Dimensionen. Nun bestreitet er an der WM in London sein letztes Profiturnier.

Zwischen 1995 und 2006, im Zenit seiner Schaffenskraft, dominierte Phil Taylor seine Gegner nach Belieben. Er piesackte sie förmlich, so übermächtig agierte der Dartspieler aus dem Nordwesten Englands.
Taylor gewann zu jener Zeit die Mehrheit seiner Partien, bevor der erste Pfeil geworfen war. Ihn umgab eine Aura der Unbesiegbarkeit, welche die Konkurrenz gar nicht an einen Erfolg glauben liess. Die chirurgische Präzision und die Nervenstärke dieses Überspielers suchten ihresgleichen. Der Versuch, Taylor in seiner Blütephase zu schlagen, sagte der englische Kommentator Sid Waddell einst, sei so, als wolle man Zuckerwatte in einem Windkanal essen.
Elf von zwölf Weltmeistertiteln heimste der untersetzte, 1,73 Meter kleine Mann mit dem Bierbauch in jener Epoche ein. Kein Athlet beherrschte seine Disziplin über einen so langen Zeitraum mit einer derartigen Konstanz und Überlegenheit. Wohl niemand prägte seine Sportart mehr als der heute 57-Jährige.
Taylor war Aushängeschild und Vermarkter in Personalunion. Von den Fans vergöttert, von den Gegnern bewundert, aber wegen seiner Arroganz auch gehasst. Auch dank Taylor gelangte das lange Zeit verruchte Spiel in das Bewusstsein einer breiten Öffentlichkeit.
Er hievte Darts quasi aus dem Untergrund rauchiger Kneipen auf die grossen Bühnen, half – auch als Gründungsmitglied des heutzutage wichtigsten Dartverbands PDC – tatkräftig mit, das Spiel der Arbeiterklasse zu einem Massenphänomen zu machen, das Millionen generiert.
«Hatte es satt, zu verlieren»
Taylors Heimatort Stoke-on-Trent ist eine typische Arbeiterstadt. Rau, meist grau und unglamourös. «In Stoke kann man nicht viel machen, ausser in ein Pub zu gehen und eine gute Zeit zu haben», sagt Taylor. Auch Taylor war zu Beginn der 1980er-Jahre oft Pfeile werfend in den Pubs anzutreffen. «Irgendwann hatte ich es satt, zu verlieren und von Leuten aufgezogen zu werden. Ich habe dann mein Leben Darts gewidmet», blickt er auf die Anfänge zurück.
Eric Bristow, einer der besten Spieler zu jener Zeit, förderte das Talent 1986 mit einem Darlehen von zehntausend Pfund. Taylor, der in einer Keramikfabrik in Stoke jahrelang für keine hundert Pfund pro Woche Toilettenpapierhalter zusammengeschraubt hatte, begann als Vollprofi zu trainieren. Mindestens sechs Stunden warf er Pfeile. Tag für Tag. Ordnete dabei alles dem Spiel unter, verzichtete auf Alkohol – «als Säufer hast du in diesem Spiel keine Chance» –, ging früh zu Bett, arbeitete im Fitnessstudio am Stehvermögen.
In seinem ersten WM-Final 1990 bezwang Taylor als ungesetzter Aussenseiter ausgerechnet seinen Mentor Bristow. Es war das erste grosse Highlight einer Karriere, an deren Ende mindestens 216 Turniersiege, davon 16 WM-Titel, stehen werden.
Der letzte Akt als Profi
In London bestreitet Taylor an der WM sein letztes Turnier. Nach wie vor gehört die Nummer 6 der Welt zum Favoritenkreis, der 17. WM-Titel scheint dennoch in weiter Ferne. Taylors Aura ist verblast, die Gegner stärker als früher, sein Niveau nicht mehr jenes der besten Tage. «Mit meinem Körper kann ich keine fünf Stunden mehr im Trainingsraum stehen. Ein letzter Titel wäre für die Fans wichtiger als für mich», sagt Taylor. In der ersten Runde am letzten Freitag setzte er sich mit Mühe durch, am Samstag bestreitet er sein Zweitrundenspiel.
Jede Partie kann Taylors letzte sein. Dessen sind sich Fans und Gegner bewusst. Unlängst brach die x-fach tätowierte und mit einer Punkfrisur versehene Weltnummer 2 Peter Wright an einem Vorbereitungsturnier zur WM im Duell mit Taylor minutenlang in Tränen aus. Die Tatsache, vielleicht ein letztes Mal gegen die Ikone und den Übervater des Darts zu spielen, hatte ihn überwältigt.
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