Tornados in den USAAls wäre alles aus Papier
Das Städtchen Mayfield in Kentucky haben die Tornados besonders stark zerstört, 64 Todesfälle sind bestätigt. Eine Kerzenfabrik ist zum Symbolbild der Katastrophe geworden – das Schicksal vieler Arbeiter ist noch immer ungewiss.

Es ist etwas mehr als zwei Wochen her, da feierten sie in der Kerzenfabrik noch zusammen Thanksgiving. Das vorweihnachtliche Buffet bauten die Mitarbeiter in der Werkskantine auf, für Fotos gruppierten sie sich lächelnd um den Tisch. Wie aus einer anderen Welt wirkt das Bild jetzt, eine andere Welt oder eine andere Zeit. Denn von der Kerzenfabrik Mayfield Consumer Products in der 10'000 Einwohner zählenden Stadt Mayfield im US-Bundesstaat Kentucky ist zwei Wochen später nicht viel mehr übrig als ein Haufen Schutt und Stahl. Mindestens acht Menschen sind ums Leben gekommen, noch immer wird nach Vermissten gesucht.
36 Tornados fegten in der Nacht zum Samstag durch die sechs US-Bundesstaaten Illinois, Kentucky, Tennessee, Missouri, Arkansas und Mississippi, ein gigantischer Schwarm tödlicher Naturgewalten. Innerhalb kurzer Zeit knickten sie Bäume um, rissen sie Häuser ein, Holzbauten, Steinbauten, Stahl. Wirbelten sie Autos durch die Luft, als wären diese aus Papier.

Zuletzt hatten die Arbeiterinnen und Arbeiter bei Mayfield Consumer Products rund um die Uhr gearbeitet. Kerzen, Wachs und Raumdüfte stellen sie hier her, das Unternehmen wurde 1998 gegründet und ist seitdem in Familienbesitz. In guten Zeiten waren hier mehr als 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt, schreibt der Lexington Herald-Leader, eine Lokalzeitung aus Kentucky. Die Wochen vor Weihnachten herrsche Hochbetrieb in der Fabrik, danach leerten sich die Auftragsbücher meist so stark, dass die Belegschaft reduziert wurde, in vergangenen Jahren bisweilen schon mal um mehr als 40 Prozent. Vor zwei Jahren stellte die Behörde für Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz zwölf Verstösse gegen die Sicherheitsauflagen fest. Dabei ging es unter anderem um Schutzausrüstung und Schutzkleidung, aber auch um die Kennzeichnung von Fluchtwegen.
Auf seiner Facebook- und Internetseite hatte das Unternehmen kürzlich Jobs in der Fabrik ausgeschrieben. Arbeit für acht Dollar pro Stunde, in Zehn- bis Zwölf-Stunden-Schichten. Jetzt ist die Facebook-Seite gesperrt, die Bilder von der Thanksgiving-Feier sind nicht mehr zu sehen. Auf der Homepage des Unternehmens steht nur noch ein Statement von Troy Propes, dem Geschäftsführer der Kerzenfabrik. «Wir sind untröstlich, und unsere sofortigen Bemühungen bestehen darin, jenen zu helfen, die von dieser schrecklichen Katastrophe betroffen sind.» Man richte einen Notfallfonds ein, um die Mitarbeiter und deren Familien zu unterstützen.
Auch Häftlinge arbeiteten in der Fabrik
Seit diesem Jahr beschäftigte die Kerzenfabrik auch Gefängnisinsassen, als Teil eines Arbeitsprogramms für Häftlinge. Am Freitagabend sollen sieben Insassen im Einsatz gewesen sein, sie überlebten das Unglück, einer von ihnen flüchtete. Unter den Toten ist auch ein Gefängniswärter, der in der Fabrik auf die Häftlinge aufpassen sollte, bestätigte ein Sprecher des Graves County Jail.
Unklar ist noch immer, wie viele Menschen am späten Freitagabend in der Fabrik gearbeitet haben. Gouverneur Beshear geht weiterhin davon aus, dass es um die 110 gewesen sein müssen, genauso viele wie am Vortag. «Das Unternehmen sagt derzeit, dass es andere Informationen hat, aber bis wir das überprüfen können, sind wir immer noch auf dem Stand von gestern.»
Laut Beshear sind allein in Kentucky Tausende Menschen obdachlos geworden. Notunterkünfte wurden eingerichtet, in Mayfield beispielsweise in der High School. Nachts liegen die Temperaturen hier im Dezember um den Gefrierpunkt. Rund 300 Mitglieder der Nationalgarde seien im Einsatz, so Beshear. Sie gingen «von Tür zu Tür», um Überlebende zu finden.
Fehler gefunden?Jetzt melden.