Als die Balôise ihr Reduit baute
Ein Jubiläum und eine Hoteleröffnung bringen eine wenig bekannte Geschichte aus Saanen ans Licht. Es geht dabei um Kriegsgefahr, Versicherungspolicen und geheime Tresorräume.
Es ist die Krisenzeit Mitte der 1930er-Jahre. Der Aufstieg der Nationalsozialisten macht in der Schweiz vielen Leuten Sorgen. So auch den Chefs der Basler Versicherung. Sie entwickelt angesichts der aggressiven Äusserungen und Weltmachtpolitik der Deutschen ein Szenario «Hauptsitz der Basler Versicherung zerstört». Und reagiert.
1938 kauft sie in Saanen eine Liegenschaft und beginnt mit dem Bau ihres firmeneigenen Reduits. Diese Episode kommt jetzt ans Licht, weil die Baloise-Versicherung in diesem Jahr ihr 150-jähriges Bestehen feiert und ein Jubiläumsbuch herausgegeben hat – und weil dieses erwähnte Grundstück heute noch der Versicherung gehört und dort am Samstag das neue Hotel Spitzhorn eröffnet wird.
60 cm Beton und Stahl
Und die Vorsicht der Versicherer ist begründet. Aus guten Kontakten in den Generalstab erfahren sie, dass Basel im Kriegsfall zur offenen und unverteidigten Stadt werden soll. Während in Gstaad vier Chalets entstehen, wird in Basel das wertvollste Gut der Baloise-Kunden – die verbrieften Ansprüche aus den Lebensversicherungen – auf Hollerithkarten (Lochkarten) gesichert. Diese 700'000 Karten benötigen rund 20 Quadratmeter Platz. Sicheren Platz. Und so wird das Basler Reduit in Gstaad Wirklichkeit. Im Keller des Chalet Eggli wird ein Tresorraum mit 60 cm dicken armierten Mauern eingebaut.
In diesen streng geheimen Bunkern wird am 10.März 1940 Material eingelagert, das zum Teil schon 1939 ins Amtshaus oder ins Hotel Saanerhof evakuiert wurde. Dabei sowie beim Landkauf haben die Kontakte zum Saaner Gemeindepräsidenten und Grossrat Rubin sehr geholfen. Die drei anderen Chalets – Spitzhorn, Arpeli und Stadenflüh – werden bis Februar 1941 fertiggestellt. Dort ziehen 50 Angestellte der Versicherung ein. Am 13. Mai 1940 – die Deutschen hatten am 10. Mai den Feldzug gegen Frankreich gestartet – wurde der Hauptsitz der Firma in Basel geschlossen und in das offiziell und bescheiden Depotstelle genannte Reduit nach Saanen verlegt.
Die 50 für Saanen vorgesehenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erhielten einen Spesenvorschuss und ein Bahnbillett und machten sich auf den Weg ins Berner Oberland. Am 17. Mai 1940 wurde der Hauptsitz bereits wieder geöffnet, jedoch behielt die Depotstelle während des ganzen Krieges ihre Bedeutung und wurde betrieben. Am 31.Mai 1945 wurde das Reduit aufgehoben, und Policen und Material (etwa die Hollerithmaschinen) von 115 Tonnen Gewicht wurden wieder nach Basel gebracht.
Saanen als sicher eingestuft
Zwischenzeitlich wurde sogar der Briefmarkenvorrat der PTT im damaligen Wert von 75 Millionen Franken im Baloise-Tresor gelagert. Auch andere grosse Institutionen und Firmen wie die Schweizerische Bankgesellschaft, der Bankverein oder die Winterthur-Versicherung waren zeitweise in Hotels wie dem Palace oder dem Bellevue eingemietet. Die Region Saanen-Gstaad wurde als relativ sicher eingestuft, auch durch die Militärpräsenz. Die vier Chalets der Baloise wurden in den Folgejahren als Ferienheim für Mitarbeiter rege benutzt.
Doch sie kamen ins Alter, und eine neue Nutzung wurde gesucht und gefunden. Sie mussten dem 3-Stern-Superior-Hotel Spitzhorn weichen – das aus vier Chalets besteht, welche im Saanenlandstil gebaut wurden. Der Betrieb wird von Ilse und Michel Wichman geführt und am nächsten Samstag eröffnet, nur ein paar Tage nach der offiziellen 150-Jahr-Feier des Unternehmens. Der geheime massive Tresor ist durch den Umbau verschwunden – oder wird darin jetzt der Wein des Hotels gelagert?
Die Informationen stammen von Markus von Escher, Konzernsekretär der Baloise, sowie aus dem Jubiläumsbuch «Sicherheit als Prinzip», das Markus von Escher und Karl Lüönd verfasst haben.
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