Als das Wasser kam
Vor 50 Jahren überflutete der Grabenbach das Dorf. Heute ist die Gemeinde besser gegen Hochwasser gewappnet.

Als Willi Frei am Abend des 28. Mai mit dem Auto zu Hause in Münsingen ankam, war nichts mehr wie vorher. Aus den Senklöchern schoss das Wasser herauf, sodass die Deckel auf den Fontänen schwammen. Der Nachbar rief um Hilfe, weil der Keller unter Wasser stand. Später lief Frei, damals 36 Jahre alt, zum Bach, der mitten durch das Dorf fliesst.
«Was ich sah, brannte sich ein», sagt Frei, «so was vergisst man nie mehr.» Die Flut hatte in Münsingen Dreck und Chaos hinterlassen.Vor 50 Jahren erlebte Münsingen ein Jahrhunderthochwasser. Nun erinnert das Museum im Schloss an dieses Ereignis und seine Folgen.
«Das Hochwasser hat damals in der ganzen Schweiz für Aufsehen gesorgt», sagt Museumsleiterin Sarah Pfister. Selbst aus der Ostschweiz habe das Unwetter Katastrophentouristen angelockt.
Fluten und ein See
Der Grabenbach ist eigentlich ein «kleines Bächli», wie Zeitzeuge Frei sagt. Es sammelt das Wasser im Talkessel von Tägertschi und führt es durch Münsingen in die Aare. An jenem Dienstag Ende Mai aber sorgte ein heftiges Hagelwetter bei Tägertschi und Häutligen dafür, dass das Bächlein zum «reissenden Strom» wurde, wie es im Buch zur Ausstellung von Fritz Lauber heisst. In Tägertschi und Münsingen trat es über die Ufer.
Das Wasser riss «Holz, Geschiebe, Bäume, Autos mit», verstopfte den unterirdischen Abfluss am Ausgang des Mühletals «und bahnte sich seinen Weg durchs Dorf», schreibt Lauber. Es drang in Einstellhallen und Keller.
Via Tägertschistrasse und Schulhausgasse wälzte sich die Flut über den Dorfplatz und dann weiter Richtung Klösterli und Loryheim. Frei erinnert sich auch an den See, der sich zwischen Loryheim und USM bildete.
Ein lokales Ereignis
Kein anderes Dorf traf es so hart wie Münsingen. Zwar kam es auch in Belp, Belpberg, Gerzensee, Rubigen, Konolfingen, Tägertschi und Häutligen zu Schäden, aber in geringerem Mass. 80 Millimeter Wasser zählte die Wetterstation in Belp innert 24 Stunden. Die nächstgelegenen Stationen in Grosshöchstetten, Thun, Schwarzenburg oder Bern verzeichneten nur einen Bruchteil davon.
Die Mobiliar-Versicherung schätzte die Schadensumme in Münsingen auf 12 Millionen Franken. Einen Monat nach dem Hochwasser sprach die Gemeindeversammlung einen Kredit von 350 000 Franken. Auch Spenden für Hochwassergeschädigte gingen ein: total 13 083 Franken.
In der Ausstellung im Schloss sowie im Buch sind zahlreiche Fotos zu sehen, welche die Flut und die Folgen dokumentieren. Es handelt sich ausschliesslich um Aufnahmen von Privaten. Sie zeigen die Wassermassen, die am Coop vorbei Richtung Tal fliessen, verkeilte Autos, Berge von Schutt und Holz, Menschen beim Aufräumen. «Es war das grösste Hochwasser, das Münsingen je erlebte», schreibt Lauber.
Aber nicht das einzige. Schon vorher kam es 1917, 1922, 1927 und 1931 zu Überschwemmungen, danach 1977. Erst im neuen Jahrtausend ist Münsingen besser gewappnet gegen Hochwasser. 2009 wurde zwischen Tägertschi und Münsingen ein 10 Meter hoher Damm mit einem Rückhaltebecken gebaut. Es fasst 37 000 Kubikmeter und erlaubt einen gedrosselten Abfluss. Damit kann ein Jahrhunderthochwasser verhindert werden.
Damm sorgt für Sicherheit
Für eine Entlastung sorgt zudem ein neuer, offener Lauf für den Grabenbach. Seit 1910 wird der Bach ab dem Mühlethal durch einen unterirdischen Kanal geführt. 2009 wurde eine Abzweigung gebaut und der Bach unterhalb des Schulhauses Schlossmatt aus der Versenkung geholt. Seither fliesst der Grabenbach durch einen renaturierten Bachlauf in die Giesse.
Am 8. Juni 2013 kam es in Münsingen zu heftigen Niederschlägen. Das Rückhaltebecken füllte sich, der Bach trat nicht über die Ufer. Es kam zwar zu kleinen Überflutungen, aber das lag nicht am Grabenbach. Die Massnahmen hatten sich bewährt.
Anders als 1968 war nach dem Unwetter in Münsingen alles wie vorher.
Ausstellung bis 1. Juli, Schloss, www.museum-muensingen.ch
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