Alles «tipptopp» im Altersheim
«Fertig Schlossherr» hiess es vor einem Jahr. Da musste Fredy Reist vom Schloss in das eröffnete Alterzentrum im Dorf ziehen. Ihm gefällts im neuen Zuhause. Hier kann er sogar die Arbeitszeit des Chefs kontrollieren.

Vor einem Jahr konnte sich Fredy Reist noch Schlossherr nennen, bewohnte er doch mit 40 anderen Auserwählten Schloss Sumiswald. Herrschaftlich war die Lage, königlich die Aussicht und das Gehöft rundherum eine Pracht, mit schnaubenden Hirschen im Garten.
Dann aber hielt die Moderne Einzug. Unten im Dorf war ein neues Bauwerk entstanden, eines für 40 Millionen Franken. Fredy Reist musste sein Schloss verlassen und ins Dorf ziehen. Wir haben ihn damals begleitet.
Jetzt ist ein Jahr um, seit die Alterszentrums Sumiswald AG die drei Betriebe Schloss Sumiswald, die Pflegeabteilung im Alten Spital und das Alters- und Leichtpflegeheim im Neubau an der Spitalstrasse unter ein Dach gebracht hat.
Geschäftsführer Patrick Walther zieht Bilanz: «Die baulichen Strukturen bewähren sich, die Herausforderungen des Neuanfangs sind gemeistert. Die Auslastung von 98 Prozent ist hervorragend.»
Die zähe Rindszunge
Und wie ist es dem ehemaligen Schlossherrn Fredy Reist ergangen? «Nein. Zurück möchte ich nicht», sagt er. «Ich bin gerne hier.» Er sitzt in seinem Zimmer im zweiten Stock des roten Hauses, das so heisst, weil es aus roten Ziegeln besteht.
Von seinem Fenster aus sieht er die Spitalstrasse, er sieht die Dorfkäserei, den Parkplatz, er sieht den Haupteingang, das Rekrutierungszentrum, ja, er sieht das tagtägliche Kommen und Gehen rund um das neue Alterszentrum.
«Ich habs dem Walther schon gesagt, dass ich kontrolliere, wann er zur Arbeit kommt», sagt Reist und hebt ein bisschen die Mundwinkel.
Ja, der ehemalige Schlossbewohner wirkt zufrieden. Trotz den Umständen. Fredy Reist sitzt im Rollstuhl. Seit nun drei Jahren ist er pflegebedürftig, wegen eines Tumors im Kopf und Lähmungserscheinungen in den Beinen. Zu beklagen hat er hier unten im Dorf eigentlich nichts.
«Ich bin froh, dass ich noch dieselben Mitbewohner habe.»
Abgesehen von dem einen Mal, als die Rindszunge zu zäh war, sei das Essen ausgezeichnet. Die Pflegerinnen einfach super und die Verwaltung tipptopp. Reist ist froh, dass noch immer dasselbe Pflegepersonal zu ihm schaut wie damals im Schloss. Und auch, dass er mit den ehemaligen Mitbewohnern die Etage teilt.
Der Treffpunkt
Rund 130 Seniorinnen und Senioren bewohnen das Alterszentrum heute, 180 Mitarbeitende schauen, dass der Laden läuft. So weit möglich blieben die Bewohnerinnen und Bewohner der drei Standorte auch nach dem Umzug in Wohngruppen zusammen.
Das sagt Renate Pauli, Leiterin Betreuung und Pflege. Sie blickt auf ein anstrengendes Jahr zurück. Die unterschiedlichen «Kulturen» der drei Institutionen aufeinander abzustimmen, habe viel Arbeit gebraucht, sagt sie. Jetzt aber läuft vieles reibungsloser, schon nur, weil jetzt alle unter einem Dach sind.
Pauli jedenfalls sieht nur Vorteile. Vorher war jeder Standort eine Wohngruppe für sich, mit rund 40 Bewohnern. Jetzt sind die Gruppen mit rund 20 überschaubarer und die Betreuungsteams entsprechend kleiner, was die Arbeit für Einzelne spannender mache.
Ein Highlight des neuen Zentrums sei der Innenhof zwischen den drei Häusern, mit Cafeteria und Saal. Der Treffpunkt des Altersheims schlechthin inklusive kulturellen Veranstaltungen. Bei der Letzten war Fredy Reist nicht dabei. Ein Sinfonieorchester hat gespielt. «Nichts für mich, nicht meine Musik», sagt er. Dafür hat ihm die Trachtengruppe gefallen, die einige Wochen zuvor aufgetreten war.
Das Brettspiel
«Die Tage hier vergehen wie im Flug», sagt Reist. Frühstück, dann die Zeitung lesen, dann Plaudern auf der Etage, dann Mittagessen, am Nachmittag ein «Eile mit Weile», dann spult Reist noch zehn Kilometer auf dem Hometrainer ab, und schon ist Zeit fürs Abendessen.
Reist persönlicher Höhepunkt aber ist, wenn seine Tochter Helene Jutzi mit den drei Enkelkindern zu Besuch kommt. Sie arbeitet bei der Spitex gleich vis-à-vis vom Alterszentrum und besucht ihren Vater, so oft sie kann. «Ich könnte nicht sein ohne sie», sagt Reist.
Vermissen tut er das Schloss nicht. Schon nur wegen der Pflastersteine, auf denen er mit seinem Rollstuhl kaum vorwärtskam. Aber irgendwie sei es dort doch etwas «heimeliger» gewesen. So recht erklären kann er nicht, was er meint. Aber man versteht es gleich besser, wenn er sagt, dass es hier zu still sei.
Kein Geräusch dringt durch die modernen Fenster in Reists Zimmer. Vorher im Schloss war das anders. Besonders in den Morgenstunden. Da erwachte man noch gemeinsam mit dem altehrwürdigen Gemäuer, das Gebälk ächzte, Schritte hallten durch die Gänge. «Jetzt schlafe ich manchmal fast zu lang», sagt Reist.
So denkt er gerne zurück. Schliesslich hat er nicht nur dort gewohnt, sondern war 1981 auch als Schreinermeister beim Umbau mit dabei. Deshalb steht jetzt in Reists Zimmer auch ein Tisch aus dem Schloss. Den hat er einst selber gezimmert. Ein Erinnerungsstück an die Zeiten, als er noch Schlossherr war.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch