«Allein der Verdacht genügte für Edathys gesellschaftlichen Tod»
TA-Redaktor Dominique Eigenmann hat den Fall Edathy rekonstruiert. Die Kinderporno-Affäre um den früheren SPD-Spitzenpolitiker Sebastian Edathy wühlt seit einem Jahr Deutschland auf.
Der Fall Edathy handelt von einem gestürzten begabten SPD-Abgeordneten mit pädophilen Neigungen. Er ist aber auch ein Polit-Krimi, in dem es um Opportunismus und Geheimnisverrat geht. Welche Erkenntnisse liefert der Fall Edathy? Er ist ein Lehrstück über den Umgang mit Kinderpornografie und Pädophilie. Angesichts der Empörung der Öffentlichkeit ist es zwar erklärbar, dass ein Politiker allein aufgrund eines Verdachts zurücktreten musste. Im Grunde ist es aber ein Skandal. Bei den Ermittlungen ging es zunächst um Bilder und Videos von nackten Jungen, die Edathy bei einem kanadischen Internetanbieter bestellt hatte – dieses Material schätzte selbst die Staatsanwaltschaft als legal ein. Trotzdem wurde Edathy von seiner Partei fallen gelassen und von der empörten Öffentlichkeit geächtet. Eine differenzierte Debatte über Pädophilie war nicht möglich. Man machte keinen Unterschied zwischen Menschen mit pädophilen Neigungen und tatsächlichen Kinderschändern, die überdies häufig keine Pädophilen sind. Im Fall Edathy genügte allein der Verdacht für seinen gesellschaftlichen Tod. In Deutschland ist sein Leben verwirkt. Und im Ausland hat er als deutscher Berufspolitiker kaum eine berufliche Zukunft.