Aktivferien und Rocky-Atmosphäre in New York
Der Berner Profiboxer Yves Studer trainiert derzeit im bekannten Gleason's Gym in Brooklyn. «Er soll sich in New York inspirieren lassen», sagt Manager Daniel Hartmann, welcher Karriere und Auslandsaufenthalt des Berners finanziert.
Es ist düster in der engen Garderobe des berühmten Gleason's Gym in Brooklyn. Und es riecht nach Schweiss und feuchten Kleidern. Den Berner Profiboxer Yves Studer stört das nicht; ihm gefällt die Atmosphäre, die an die «Rocky»-Filme erinnert. Auch ohne Sylvester Stallone herrscht im Trainingsraum emsiges Treiben; Frauen, Hobbyboxer und Profis bearbeiten einträchtig Boxsäcke oder üben sich im Schattenboxen. An den Wänden hängen zahlreiche Plakate mit Aufschriften wie dieser: «Gleasons's Gym Brooklyn – die Heimat des unbestrittenen Weltergewichtsweltmeister Zap ‹Super› Judah». In vier Ringen wird eifrig Sparring betrieben. Der ungeschlagene Joan Guzman, der kürzlich seinen WM-Gürtel im Superfedergewicht abgegeben hat, um ins Leichtgewicht zu wechseln, übt sich primär im Verteidigen. Der geschmeidige Weltklasseboxer trägt einen Neoprenanzug; er muss im Hinblick auf den nächsten Fight ein paar Pfunde verlieren.
Übersetzte Anweisungen
Studer ist längst aufgewärmt, aber noch zur Untätigkeit verdammt. Sein Sparringpartner verspätet sich erheblich – wegen eines Besuchs beim Coiffeur Der Berner zuckt nur mit den Schultern. «Hier ist das nun mal so», sagt er. Dass es viele Amerikaner mit Sauberkeit und Pünktlichkeit nicht immer genau nehmen, hat er akzeptiert. «In einem fremden Land passe ich mich dem Lebensstil der Einheimischen an. Das erwarten wir in der Schweiz von den Ausländern schliesslich auch.» Der Vater des 26-Jährigen, Franz Studer, ärgert sich hingegen über das wenig professionelle Verhalten. Dann kann Studer doch noch ins Seilviereck steigen. Es kommt zu einem heftigen Schlagabtausch. Der schwergewichtige Trainer Bob Jackson schreit fast pausenlos Anweisungen in den Ring, die Pascal Stalder laufend in Schweizer Mundart übersetzt. Der Amateur-Schweizer-Meister von 2007 (Halbwelter) komplettiert das Schweizer Trio in New York.
Gegner mit blutiger Lippe
Nach drei Runden wird Studer ein neuer, frischer Widersacher vorgesetzt. Der 26-Jährige aus Kehrsatz landet einige harte Treffer, der frisch frisierte Afroamerikaner trägt eine blutende Lippe davon – und hat gar keine Freude. Studer entschuldigt sich bei ihm, aber es ist klar, was er denkt: Der andere ist ein Weichei. «Es bestätigt sich hier, was ich schon gewusst habe: Auch in Amerika kochen sie nur mit Wasser.» Nach dem Sparring steht Techniktraining auf dem Programm. Jackson bemängelt die Fuss- und die Kopfstellung des Schweizers im Infight.
Imposante Aussicht
Manager Daniel Hartmann hat Yves Studer nach New York geschickt. Das Aushängeschild der Boxing Kings soll sich in Brooklyn im Hinblick auf die kommenden Aufgaben inspirieren lassen. Der Athlet, für den das Sparring mit unbekannten Antipoden im Vordergrund steht, bezeichnet seinen Aufenthalt als «Aktivferien». In der Tat bleibt ihm neben dem Training genügend Zeit, die Metropole am Hudson River zu erkunden. Besonders beeindruckt haben ihn die vielen Lichter und Menschen. «Es herrscht Hektik und ist immer laut.» Er sei nicht der Typ für Sehenswürdigkeiten, erzählt er. Trotzdem gefällt ihm der Blick von der 260 Meter hohen Aussichtsplattform des Rockefeller Center: Auf der einen Seite ist der Central Park, auf der anderen das Empire State Building zu sehen, das mit seinen 381 Metern die grandiose Skyline dominiert.
Fastfood im Big Apple
Das Essen hat es Yves Studer in New York angetan, und der Berufsboxer nimmt im Big Apple keine Früchte zu sich. «Meinem Körper tut der Fastfood nicht gerade gut», stellt er nach dem Gang auf die Waage im Büro von Coach Bob Jackson fest. 78 kg wiegt er derzeit, drei mehr als normal. Die Limite fürs Mittelgewicht beträgt 72,5 Kilogramm. «Diese im Mai zu erreichen wird kein Problem sein. Zu Hause nehme ich sofort wieder ab.»
Trainiert wird in Brooklyn, untergebracht sind Pascal Stalder, Franz und Yves Studer hingegen mitten in Manhattan, unweit des Central Park. Das Trio bewohnt keine Luxusherberge, sondern ein Studio, das zum «Bed&Breakfast 1291» gehört. Der Name ist Programm: Besitzer Roland Solenthaler und fast alle Mitarbeiter sind Schweizer – Studer geniesst in der Fremde ein Stück Heimat. Obwohl ihn New York fasziniert, meint er, in der Schweiz sei es am schönsten. Seine Leute, die Berge und die Aare fehlen ihm.
Vergleich mit der Börse
Yves Studers Karriere wird genau wie der USA-Aufenthalt von Daniel Hartmann finanziert. Der Boxer ist seinem Manager dankbar, doch unter Druck fühlt er sich nicht. «Dänu investiert in mich; er hat das Ziel, dereinst mit mir Geld zu verdienen. Es ist wie an der Börse – es kann gut gehen, aber man kann auch verlieren.» Der letzte Satz könnte auch von einem an der Wallstreet tätigen Banker stammen.
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