«Agnes»: Die grosse Erschöpfung
Das Theater an der Effingerstrasse zeigt zur Saisoneröffnung «Agnes» von Peter Stamm. Es ist eine gewollt nüchterne und minimalistische Inszenierung, die einen leider kaltlässt.

Eigentlich machen sie alles richtig. Der Icherzähler (Lars Wellings) ist ein arroganter und distanzierter Typ, Agnes (Amélie Belohradsky) eine zerbrechliche und liebesbedürftige junge Frau.
Gemeinsam stehen sie auf der Bühne des Effingertheaters, in einem bedrückenden Kammerspiel. «Agnes» ist die Bühnenfassung des gleichnamigen Romans des bekannten Ostschweizer Autors Peter Stamm. Effinger-Hausregisseur Stefan Meier hat nah am Text gearbeitet, nur wenige Szenen ausgelassen, nur wenige Details verändert. Und der Roman war schliesslich ein grosser Erfolg im deutschsprachigen Raum.
Mein Geschöpf Agnes
Es geht darin um die Beziehung zwischen der jungen Doktorandin Agnes und dem namenlosen Icherzähler, der für ein Sachbuch über Luxuseisenbahnwagen recherchiert. Sie treffen sich in Chicago in der Bibliothek, rasch wird aus der Begegnung mehr.
Man spricht über Liebe und Tod und Literatur, irgendwann überredet Agnes ihren Freund, eine Geschichte über sie zu schreiben. Er macht es, es ist ein Spiel. Die Beziehung plätschert derweil glücklich dahin, bis die Geschichte die Realität überholt. «Jetzt war Agnes mein Geschöpf», sagt der Erzähler auf der Bühne.
Das ist alles formal sehr logisch. Fürs Publikum aber anstrengend.
Dann richtet er sich an Agnes: «Du ziehst das dunkelblaue Kleid an. Ich habe die Gegenwart überholt.» Und sie macht mit. Doch die Sache läuft aus dem Ruder. Während er ihr in der Geschichte bereits einen Heiratsantrag gemacht hat, steuert die reale Beziehung einem bitteren Ende entgegen. Ein Ende, das absehbar ist, fangen doch Roman und Bühnenfassung mit folgendem Satz an: «Agnes ist tot. Eine Geschichte hat sie getötet.»
Das ist trist, auf der Bühne noch mehr als zwischen den Buchdeckeln. Das liegt möglicherweise auch am kargen und minimalistischen Bühnenbild (Peter Aeschbacher), ein paar weisse Stufen und einige Glaswände müssen reichen.
Dazu Lichtwechsel. Das einzige Requisit ist weisses Papier, das ab und zu zerrissen wird. Musik gibt es keine. Nur Dialog. Und auch der wirkt seltsam zerrissen. Von einem normalen Gespräch wird abrupt in die unpersönliche dritte Perspektive gewechselt, aus «du» wird im nächsten Satz «Agnes».
Mal spricht sie, mal er. Es ist die Vermischung der Realität mit der Fiktion, die hier auch sprachlich aufgenommen wird.
Das ist alles formal sehr logisch. Fürs Publikum aber anstrengend. Und leider ist es keine beglückende Anstrengung, eher eine bemühende. Denn die Inszenierung lässt einen seltsam kalt.
Man leidet nicht mit Agnes, man verachtet den selbstherrlichen Icherzähler nicht einmal. Man bringt die Sache einfach hinter sich. Und am Schluss bleibt nichts zurück. Ausser Erschöpfung.
«Agnes»: bis 14. 9., Theater an der Effingerstrasse, Bern.
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