AfD-Klischees im Check
Sind AfD-Wähler arm, ungebildet und leben in abgehängten Regionen? Forscher legen Zahlen vor.

Wenn am nächsten Sonntag in Deutschland Bundestagswahl wäre, käme einer ARD-Umfrage zufolge die AfD auf 15 Prozent der Stimmen. Das sind über zwei Prozent mehr als bei der Parlamentswahl im letzten Herbst, als die AfD erstmals den Einzug in den Bundestag schaffte. Die AfD befindet sich also weiter im Aufwärtstrend. Auch bei den Landtagswahlen in Bayern im Herbst wird sie zulegen.
Für den Erfolg der rechtspopulistischen Partei gibt es folgende häufig geäusserten Erklärungen: AfD-Wähler sind arm und wenig gebildet, sie unterstützen die Anti-Zuwanderungspolitik der AfD aus Angst vor Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt oder im Sozialsystem. Oft heisst es auch: AfD-Hochburgen befinden sich in abgehängten Regionen. Solche Erklärungen lassen sich allerdings kaum wissenschaftlich belegen.
In einer am Freitag veröffentlichten Analyse zur Bundestagswahl 2017 kommt das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) zum Schluss, dass das AfD-Ergebnis nicht allein durch abgehängte Regionen erklärbar ist. Ausserdem stellt die Studie fest, dass AfD-Anhänger mit Blick auf ihre Einkommen nahezu einen Querschnitt der deutschen Gesellschaft abbilden, mit einem leicht stärkeren Abschneiden in der unteren Einkommensmitte.
Auch eine Partei der Besserverdienenden
Umfragen zufolge verfügen beispielsweise 23,6 Prozent der AfD-Anhänger über monatliche Haushaltsnettoeinkommen zwischen 1500 und 2000 Euro – im Vergleich zu 19,4 Prozent unter allen Wahlberechtigten. Selbst bei höheren Einkommen bekennen sich viele Menschen zur AfD: 16,8 Prozent der AfD-Anhänger verfügen über ein Haushaltsnettoeinkommen von über 4000 Euro – im Vergleich zu 18,1 Prozent unter allen Wahlberechtigten. Schon in einer früheren Studie hatte das IW festgestellt, dass die AfD auch eine Partei der Besserverdienenden ist. Dieselbe Studie widersprach ausserdem der These der unterdurchschnittlich gebildeten AfD-Wähler.

Die neue IW-Studie befasst sich auch mit dem Wahlverhalten in den Regionen. Mit Blick auf die Wahlkreise in Ost- und Westdeutschland zeigt sie, dass die AfD nicht nur in wirtschaftlich abgehängten Regionen Erfolg hat. Die AfD-Hochburgen im westdeutschen Ruhrgebiet sind tatsächlich strukturschwach mit vergleichsweise hoher Arbeitslosigkeit und unterdurchschnittlichem Pro-Kopf-Einkommen. Vergleichbar ist die wirtschaftliche Situation in den AfD-Hochburgen im Osten Deutschlands. Stark ist die AfD vor allem in Regionen mit hohem Anteil an Beschäftigten in der Industrie. Punkten kann sie auch in Regionen, die vom Bevölkerungsschwund betroffen sind.
Auch in wirtschaftsstarken Regionen erfolgreich
Wahlerfolge erzielte die AfD auch im wohlhabenden Süden Deutschlands. Im baden-württembergischen Heilbronn zum Beispiel schnitt sie besonders gut ab – trotz überdurchschnittlichen Einkommen und unterdurchschnittlicher Arbeitslosigkeit. Und im wirtschaftsstarken Bayern, wo im Herbst Landtagswahlen stattfinden, ist die AfD auf dem Weg zur zweitstärksten Partei. Laut Umfragen liegt sie derzeit bei 13,5 Prozent.
«Allein durch wirtschaftliche Schwäche lässt sich der regionale Erfolg der AfD nicht erklären», heisst es in der IW-Studie. «Ausschlaggebend für einen AfD-Wahlentscheid sind vielmehr kulturhistorische, soziokulturelle oder soziopsychologische Ursachen.» Das bedeutet für die etablierten Parteien, dass ein Rückgriff auf sozialpolitische Instrumente nicht genügt, um AfD-Wähler zurückzugewinnen. Vielmehr geht es um Fragen der Identität und Integration sowie regionalpolitische Herausforderungen.
Das IW hatte in einer früheren Studie festgestellt, dass im AfD-Milieu eine ausgeprägte Angst vor der Zukunft herrscht. Gemäss einer Umfrage sorgten sich 82 Prozent der AfD-Anhänger um die Zuwanderung – im Gegensatz zu 32 Prozent in der Gesamtheit der Befragten. Auch die Entwicklung der Kriminalität und der soziale Zusammenhalt des Landes machten AfD-Anhängern Angst. Zusammenfassend charakterisierte die IW-Studie die AfD als «Partei der sich ausgeliefert fühlenden Durchschnittsverdiener».
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