Ägyptische Kampfjets bombardieren IS-Waffenlager
Die ägyptische Regierung hat die Ermordung von 21 Staatsangehörigen durch die Terrormiliz IS bestätigt – und schwört nun Rache. Die Luftwaffe fliegt seit dem Morgen Vergeltungsangriffe gegen den IS in Libyen.
Nach der Massenenthauptung von koptischen Christen haben ägyptische Kampfflugzeuge Stellungen der Terrormiliz Islamischer Staat in Libyen bombardiert. Die Streitkräfte gaben die Angriffe offiziell bekannt und bestätigten damit erstmals Militäraktionen in dem von Unruhen gezeichneten Nachbarland. Die italienische Regierung erwägt nach Angaben von Regierungsbeamten, sich an einer Militäraktion zu beteiligen, falls keine diplomatische Lösung gefunden werde.
Ein ägyptischer Kampfjet startet zum Einsatz in Libyen. (Video: Youtube/Egyptianmod)
Das international nicht anerkannte Parlament in der libyschen Hauptstadt Tripolis hat die Angriffe der ägyptischen Luftwaffe verurteilt. Der Beschuss sei eine «Attacke gegen die Souveränität Libyens» sagte ein Sprecher. Der international anerkannte Regierungschef Abdullah al-Thinni forderte dagegen den Westen zum Eingreifen auf. In einem Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters sagte Al-Thinni, die «Weltmächte» sollten «militärische Angriffe» gegen die jihadistischen Milizen IS und al-Qaida starten.
Er warnte: «Diese Bedrohung wird sich in die europäischen Länder weiterverbreiten, vor allem nach Italien.» Die Terrormilizen seien unter anderem in Tripolis und Ben Jawad aktiv - «darüber haben wir bestätigte Informationen». Die beiden Städte werden von der rivalisierenden libyschen Regierung, die von Islamisten dominiert wird, kontrolliert.
Video zeigt Enthauptung
Gestern war im Internet ein Video veröffentlicht worden, das die Enthauptung der Ägypter durch IS-Extremisten in Libyen zeigen soll. Anhänger der Terrormiliz hatten dort nach eigenen Angaben seit Wochen 21 koptische Christen aus Ägypten in ihrer Gewalt und sie mit dem Tod bedroht.
Italien könnte eine Führungsrolle bei einer internationalen Aktion in Libyen übernehmen, wie es aus Regierungskreisen hiess. Ihr Land sei dazu aus geografischen, historischen und wirtschaftlichen Gründen bereit, sagte Verteidigungsministerin Roberta Pinotti der Zeitung «Il Messaggero». Bislang sei eine solche Intervention aber nur Theorie. Ministerpräsident Matteo Renzi sagte dem Fernsehsender TG5, dass Italien zunächst weitere Entscheidungen des UN-Sicherheitsrats abwarten wolle.
Die Vereinten Nationen, die USA, die Vereinigten Arabischen Emirate und andere Länder verurteilten die Tötungen mit scharfen Worten. Auch Papst Franziskus sagte, die Geiseln seien ermordet worden, nur weil sie christlichen Glaubens seien.
Hamas verurteilt Enthauptung
Auch die islamistische Palästinenserorganisation Hamas hat die Enthauptung verurteilt. Es handle sich um ein «grauenvolles Verbrechen», das das «Ansehen des Islam besudelt und gegen seine Prinzipien der Toleranz verstösst».
Die Organisation betonte in einer Erklärung, in den Palästinensergebieten lebten Muslime und Christen seit Jahrhunderten zusammen, «weil der Islam ihnen Frieden und Sicherheit garantiert». Der Islam befehle «nur diejenigen zu töten, die uns töten, uns angreifen oder gegen unsere Rechte verstossen».
Die Hamas hatte in den vergangenen Monaten wiederholt Gewalttaten des IS kritisiert. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas von der Fatah-Bewegung rief in Reaktion auf die Enthauptungen eine dreitägige Trauer im Westjordanland aus und sprach Ägyptens Präsident Fatah al-Sisi sein Beileid aus.
Schweiz verurteilt Mord
Auch die Schweiz verurteilt den «Mord» «auf das Schärfste», wie das Aussendepartement in Bern in einer Mitteilung schreibt. Mit der Enthauptung der ägyptischen Christen hatte sich die Terrormiliz des selbst ernannten Islamischen Staates (IS) zuvor gebrüstet.
Die Schweiz drücke den Angehörigen «ihr aufrichtiges Beileid» aus und verlange, dass die Täter zur Rechenschaft gezogen werden, heisst in der Mitteilung des Eidg. Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA) weiter. Das Augenmerk richte sich dabei nicht nur auf den so genannten Islamischen Staat, sondern auf alle Akteure, die das Völkerrecht verletzten.
Was Libyen betrifft, weist das EDA auf die Schweizer Unterstützung hin für die laufenden Bemühungen der UNO, eine Einheitsregierung zu schaffen, die in der Lage sei, die Bürger des Landes zu schützen.
Echtheit von Video ungeklärt
In Libyen sorgen Extremisten seit Monaten für Unruhe. Mit Islamisten verbündete Milizen hatten vergangenes Jahr die Hauptstadt Tripolis besetzt. Die international - auch von Ägypten - anerkannte Regierung musste in den Osten des Landes ausweichen. Nach US-Angaben haben sowohl Ägypten als auch die Vereinigten Arabischen Emirate bereits in der Vergangenheit an geheimen Luftschlägen gegen islamistische Kräfte in Libyen mitgewirkt.
Ob das jüngste Video echt ist, war zunächst nicht unabhängig zu prüfen. Es war auch nicht klar, ob alle 21 Geiseln getötet wurden. Doch die Regierung inKairo und die Koptische Kirche bestätigten die Ermordung der Geiseln und schworen Rache. In der Heimatgemeinde von einigen der Ermordeten trauerten Verwandte in der Dorfkirche. Sie wolle den Mörder ihrer Sohnes zerreissen, sagte Buschra Fawsi. Der 22-Jährige war nach Libyen gegangen, um zu arbeiten.
«Das Blutvergiessen rächen»
In einer Mitteilung des ägyptischen Militärs hiess es, Kampfflugzeuge hätten Waffenverstecke und Übungscamps der Terroristen angegriffen. Dann seien sie sicher zurückgekehrt. Die Angriffe seien geflogen worden, um «das Blutvergiessen zu rächen und die Mörder zu bestrafen».
Chronik einer angekündigten Reaktion: Ägyptische und libysche Luftangriffe auf IS-Stellungen. (Video: Reuters)
Die libysche Luftwaffe gab bekannt, Luftangriffe auf die im Osten des Landes liegende Stadt Darna geflogen zu haben, die von einem Verbündeten der IS-Terrormiliz im letzten Jahr eingenommen worden war. Die auf der Facebook-Seite des Luftwaffenchefs veröffentlichte Bekanntmachung enthielt keine weiteren Details.
«Wenn Allah es uns erlaubt»
Die jüngsten Morde deuten darauf hin, dass sich nur rund 500 Kilometer von der Südspitze Italiens entfernt ein Partner des IS etabliert hat. Der IS kontrolliert bereits rund ein Drittel Syriens und des Iraks in einem selbst erklärten Kalifat. In dem Video hatte ein Kämpfer gesagt, man werde Rom erobern, «wenn Allah es uns erlaubt.»
Das Video zeigt mehrere Männer in orangefarbenen Overalls, die zu einem Strand geführt wurden. Jeder wird von einem maskierten Extremisten begleitet. Die Männer werden zum Hinknien gezwungen. Dann werden die Opfer mit dem Gesicht nach unten auf den Boden gelegt und alle gleichzeitig enthauptet. Die Macher des Videos nennen sich selbst die Provinz Tripolis des Islamischen Staats.
Ägyptens Regierung rief eine siebentägige Trauerzeit aus. Staatschef Abdel Fattah al-Sisi sagte: «Diese feigen Aktionen werden nicht unsere Entschlossenheit unterminieren.» Die Koptische Kirche wandte sich an ihre Gläubigen. «Sie können gewiss sein, dass ihre grosse Nation nicht ruhen werde, bis Vergeltung an den niederträchtigen Kriminellen geübt wird.»
AP/AFP/sda/chk/fko
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch