Abtrünniger General greift libysches Parlament an
Erst Benghazi, dann Tripolis: Der ehemalige General Haftar geht in Libyen auf eigene Faust gegen islamistische Milizen vor. Bisher starben mindestens 75 Menschen.
Nach dem Gewaltausbruch in Benghazi mit mindestens 75 Toten ist auch Libyens Hauptstadt Tripolis von Unruhen erfasst worden. Bewaffnete stürmten nach Angaben libyscher Medien am Sonntag das Parlament. Ein Oberst sprach von der «Suspendierung» des Parlaments.
Mochtar Fernana verlas am Sonntag eine Erklärung, welche zwei private Fernsehsender ausstrahlten. «Wir, Mitglieder der Armee und Revolutionäre, verkünden die Suspendierung des Allgemeinen Nationalkongresses», sagte er.
Bei den Angreifern auf das Parlament handelt es sich um abtrünnige Soldaten, die sich aber als libysche Nationalarmee bezeichnen. Ihr Ziel ist nach Angaben eines Sprechers die Vertreibung der islamistischen Milizen und deren Unterstützer aus dem krisengebeutelten Land.
Generalmajor Haftar führt die Operation
Die Truppe stehe unter dem Befehl des früheren Generalmajors Chalifa Haftar, der die eigenmächtige Militäroperation gegen radikalislamische Brigaden am Freitag in Benghazi gestartet hat und am Sonntag ausweitete, berichtete die Nachrichtenagentur DPA.
Dagegen meldete die Nachrichtenagentur AFP, es sei unklar, ob es zwischen den Vorgängen in Tripolis und den jüngsten heftigen Gefechten im Osten Libyens einen Zusammenhang gebe.
Flugverbot verhängt
Die Offensive im Osten des Landes hat lokalen Medien zufolge mindestens 75 Menschen das Leben gekostet, weitere 141 wurden verletzt. Nach dem Blutvergiessen in Benghazi sprach Haftar im libyschen Fernsehen von «Säuberungsaktionen». Die Übergangsregierung in Tripolis kritisierte dies scharf.
Aus Furcht vor neuer Gewalt und Luftschlägen verhängte die Armeeführung ein Flugverbot über Benghazi. Bei den dortigen Kämpfen soll auch ein Helikopter zum Einsatz gekommen sein.
Wie die Nachrichtenagentur Lana berichtete, sperrten die aufständischen Soldaten am Sonntag zunächst alle Strassen zum Parlament in Tripolis. Die Abgeordneten unterbrachen daraufhin ihre Sitzung. In die Luft schiessend stürmten die Bewaffneten schliesslich das Gebäude. Gerüchte über die Entführung von Parlamentariern wurden zunächst nicht bestätigt.
Ein Sprecher der Haftar-Truppe, Mohammed al-Higasi, sagte der DPA, seine Soldaten wollten nun Extremisten auch in Tripolis bekämpfen, festnehmen und ihre Unterstützer im Parlament bestrafen. «Wir haben Einheiten in der ganzen Stadt», betonte er. «Parlamentarier, die extremistische Milizen unterstützen, sollen sich ergeben.»
Gescheiterter Putschversuch
Haftar hatte bereits im vergangenen Frühjahr erfolglos versucht, die damalige Regierung zu stürzen. Das Parlament wird in regelmässigen Abständen von Aufständischen gestürmt – die so die Arbeit der Abgeordneten behindern oder politische Forderungen durchsetzen wollen.
Benghazi galt zu Beginn des Aufstands gegen den früheren Machthaber Muammar al-Ghadhafi im Jahr 2011 als Wiege der Revolution. Aus den damaligen «Revolutionsbrigaden» sind schwer bewaffnete Milizen geworden, die nicht bereit sind, ihre Macht wieder abzugeben. Im September 2012 kamen in der Stadt der US-Botschafter Christopher Stevens und drei weitere Diplomaten bei einem Angriff ums Leben.
Der Osten Libyens hat sich inzwischen zu einem weitgehend rechtsfreien Raum entwickelt, in dem sich viele islamistische Brigaden tummeln. Bislang blieb die Übergangsregierung in Tripolis bei dem Versuch, die Milizen zu entwaffnen oder in den Sicherheitsapparat einzugliedern, überwiegend erfolglos.
SDA/rub/chk
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