Ab 2014 schaltet die Schweizer Wirtschaft den Vorwärtsgang ein
Bevölkerungswachstum und tiefe Zinsen halten die Schweizer Wirtschaft am Laufen: Die Analysten des Bundes gehen für das kommende Jahr von einem BIP-Wachstum von 2,1 Prozent aus. Der IWF stützt diese Prognose.
Die Schweizer Wirtschaft spürt zwar den Rückenwind der sich anbahnenden weltwirtschaftlichen Belebung, ein kräftiger Aufschwung ist aber noch nicht in Sicht. Für 2013 erwarten die Experten des Bundes weiter ein moderates Wachstum von 1,3 Prozent. Für 2014 wird mit einer Beschleunigung des BIP-Wachstums auf neu 2,1 (bisher 2,0) Prozent gerechnet.
Die jüngsten Konjunkturumfragen signalisierten auf breiter Front eine Stimmungsaufhellung über die letzten Monate, teilte das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) heute mit. In der Industrie liessen die pessimistische Einschätzungen nach und das Konsumklima habe sich aufgehellt. Auch in den besonders unter der Eurokrise leidenden Branchen der Maschinenindustrie und des Tourismus zeigten sich erste Anzeichen einer Stabilisierung.
Angesichts einer weiterhin stabilen Inlandkonjunktur und des sich aufhellenden Ausblicks für die Exportwirtschaft stünden die Chancen für ein anziehendes Wirtschaftswachstum im Verlauf dieses und des nächsten Jahres gut.
Kein Anlass zu Euphorie
Die noch vor einigen Monaten virulente Gefahr, dass auch die Schweiz stärker in den konjunkturellen Abwärtssog gerate, scheint nach Einschätzung der Expertengruppe fürs Erste gebannt. Zur Euphorie bestehe gleichwohl kein Anlass, da die Erholung im Exportbereich nur zögernd voranschreiten dürfte, gibt das Seco zu bedenken.
Die Absatzmärkte in vielen EU-Ländern würden weiter schwächeln, und der Franken sei gegenüber den meisten Währungen immer noch zu hoch bewertet. Die Expertengruppe prognostiziert für das Exportwachstum eine moderate Beschleunigung von 2,6 Prozent für 2013 und 4,8 Prozent für 2014.
Positive Wachstumstreiber der Inlandnachfrage dürften weiterhin das Bevölkerungswachstum und die tiefen Zinsen sein, diese würden die Bauwirtschaft und den privaten Konsum stützen. Eine durchgreifende Erholung der Ausrüstungsinvestitionen dürfte hingegen noch einige Zeit auf sich warten lassen.
Vorerst keine positive Wende auf Arbeitsmarkt
Trotz der aufgehellten Konjunkturperspektiven zeichnet sich für den Arbeitsmarkt vorerst noch keine positive Wende ab. In der Industrie könnte der Beschäftigungsabbau, der im zweiten Halbjahr 2012 einsetzte, vorerst noch anhalten, ehe nach mehreren schwierigen Jahren wieder eine Erholung einsetze.
Die Umstrukturierungen im Bankensektor dürften den Arbeitsmarkt noch weiter belasten. Insgesamt rechnet die Expertengruppe für die Arbeitslosigkeit noch bis Ende dieses Jahres mit einer Zunahme und anschliessend einer Stabilisierung. Für 2013 und 2014 wird von einer Arbeitslosenquote von jeweils 3,3 Prozent ausgegangen.
Die dauerhafte Bewältigung der Schuldenkrise im Euroraum stellt laut Seco das grösste Bedrohungspotenzial dar. Eine zentrale Herausforderung bestehe darin, trotz der tiefen Wirtschaftskrise in den südlichen Euroländern und der daraus resultierenden Risiken für die politische Stabilität, den sozialen Zusammenhalt in diesen Ländern nicht zu gefährden, heisst es in der Mitteilung. Darüber hinaus müsse das wiedergewonnene Vertrauen der Finanzmärkte noch weiter gestärkt werden, damit die Grundlage für dauerhaftes Wachstum in der Eurozone geschaffen werde.
IWF sieht bescheidene Wachstumsaussichten für die Schweiz
Auch der Internationale Währungsfonds hat sich zu den Aussichten der Schweizer Wirtschaft geäussert. Der IWF stellt der Schweizer Wirtschaft in seinem jährlichen Länderreport ein gutes Zeugnis aus. Im Finanz- und Immobiliensektor seien stabilisierende Massnahmen getroffen worden, und auch den Euro-Mindestkurs von 1,20 Franken hält der IWF für angemessen. So empfiehlt der IWF der Schweizer Nationalbank (SNB), den Euro-Mindestkurs «vorläufig dort zu belassen, wo er ist», wie IWF-Chefprüferin Enrica Detragiache vor den Medien in Bern sagte. Dieses «stabilisierende Element» solle aufrechterhalten werden, so lange die wirtschaftliche Erholung nicht gesichert sei und keine Anzeichen einer Inflation auszumachen seien.
Jedoch mahnt der IWF die SNB dazu, die Situation bei den «selten so gross gewesenen» Devisenreserven im Auge zu behalten. Würde nämlich der Franken deutlich stärker, so verlören die derzeit bei 427,7 Milliarden Franken liegenden und vornehmlich in Euro, Dollar, Yen und Pfund angelegten Fremdwährungsreserven massiv an Wert. Solche Verluste könnten laut Detragiache letzten Endes «die Unabhängigkeit der SNB gefährden».
Als Gegenmittel zu einem erneuten Aufwertungsdruck des Frankens schlägt der IWF vor, negative Zinssätze auf den Überschussreserven der Geschäftsbanken bei der SNB einzuführen. Auch solle die SNB die Eigenmittel erhöhen, um den Risiken einer gestiegenen Bilanzsumme besser zu begegnen.
«Keine Anzeichen einer Immobilienblase»
Äusserst zufrieden zeigte sich die IWF-Delegation mit den Massnahmen, welche die Schweizer Behörden, namentlich das Finanzdepartement, gegen eine mögliche Blase im Immobilienmarkt ergriffen haben. Zwar seien noch immer einige lokale «Hot Spots» auszumachen, alles in allem liessen die Daten für die Gesamtschweiz aber «keine typischen Anzeichen» einer Immobilienblase erkennen.
Um die Risiken im Immobilienmarkt weiter zu senken, legt der IWF der Schweiz nahe, die steuerpolitischen Anreize bei der Hypothekenvergabe zu überdenken. Dass Hauseigentümer die bei Hypotheken anfallenden Zinsen von den Steuern abziehen könnten, trage zu einer Destabilisierung des Systems bei. Gemessen am Bruttoinlandprodukt würden nur in wenigen Ländern der Welt so viele Wohnungs- und Hausbaukredite vergeben wie in der Schweiz.
Mehr internationale Koordination gefordert
Was den Finanzsektor anbelangt, so lobte der IWF die verschärfte Regulierung und Überwachung der Banken- und Versicherungsbranche. Insbesondere die Kapital- und Liquiditätsvorgaben von Basel III hätten zu dieser Verbesserung beigetragen. Wichtig sei es nun, dass die systemrelevanten Grossbanken den Abbau der risikogewichteten Aktiven weiter vorantrieben.
Nachholbedarf besteht nach Ansicht des IWF auch noch bei der Koordination der nationalen mit den internationalen Regulierungsmassnahmen. Die Schweizer Behörden werden ermutigt, sich «mit Nachdruck in diese Richtung zu bewegen». Ein globales System zur Eindämmung der Relevanz von einzelnen Grossbanken für das Finanzsystem sei nämlich noch immer nicht gefunden.
«Bescheidenes» Wachstum für Schweizer Wirtschaft
Die Perspektiven für die Konjunktur in der Schweiz betitelte IWF-Delegationsleiterin Detragiache als «bescheiden». Im Jahr 2013 dürfte die Schweizer Wirtschaft gemäss IWF-Prognose zwischen 1 und 1,5 Prozent wachsen. 2014 werde es dann gar etwas mehr sein, fügte sie hinzu, ohne präziser zu werden.
Der IWF führte sein diesjähriges Länderexamen in der Schweiz vom 8. bis 18. März durch. Die Finanz- und Wirtschaftslage seiner Mitgliedsländer regelmässig zu beurteilen, gehört zur wirtschaftspolitischen Überwachungstätigkeit des Währungsfonds.
SDA/mrs/mw
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