900 Jobs bei der Ruag gefährdet
900 Arbeitsplätze stünden in Thun auf dem Spiel wegen der Initiative gegen Kriegsmaterialexporte, warnt der Ruag-Chef. Schweizweit seien 2000 Stellen gefährdet. Ein Rundgang durch die Werkstätte in Thun.

An einen Hangar für den Flugzeugbau, daran erinnert die riesige Werkhalle bei der Ruag Land Systems in Thun. «Panzerhalle» heisst sie bei den Mitarbeitern, denn hier werden Chassis zusammengeschweisst und ältere Panzer mit der neusten Technik aufgerüstet. Im Moment steht die Revision der Leopard-Panzer der Schweizer Armee an.
Unabhängigkeit bedroht
«Wir machen einen umfassenden Service», erklärt Peter Nyfeler, Leiter Montage und Industriebasis. Zudem erhalten die rund 20-jährigen Panzer unter anderem berührungsempfindliche Bildschirme.
Welche Auswirkungen hätte denn ein Ja am 29.November zur Initiative gegen Kriegsmaterialexporte für diese Abteilung? Urs Breitmeier, Leiter von Ruag Land Systems, erklärt: «Wir könnten die Leopard-Panzer nur noch unterhalten, aber nicht mehr technologisch weiterentwickeln.» Das bedeute: «Die Ruag würde zu einer Garage degradiert.» In einer kritischen Situation wäre es laut Breitmeier auch unmöglich, den sogenannten «Aufwuchs» sicherzustellen. Das heisst, die Spezialisten würden fehlen, um die Schweizer Armee unabhängig vom Ausland aus- und aufzurüsten.
Gesammeltes Knowhow
Montageleiter Nyfeler zeigt bei einem Rundgang auf einen jungen Mann, der Metallplatten zusammenschweisst. «Er bearbeitet Panzerstahl», erklärt er. Dies sei äusserst schwierig. «Das lernt man nicht in zwei Wochen.» Der junge Arbeiter nimmt kurz seinen Helm ab, wischt sich den Schweiss von der Stirn und bückt sich wieder über die Metallplatten. Wenn seine Arbeit fertig ist, steht hier ein Chassis für einen Geniepanzer. Im deutschen Kiel wird der sogenannte Überbau entstehen und von dort der fertige Panzer weiter ins Ausland geliefert.
«Die Fähigkeit, hochfeste Stähle zu schweissen, ist äusserst wichtig und muss auf jeden Fall beibehalten werden», sagt Lukas Braunschweiler, CEO der Ruag Holding. Doch wäre der Export der Chassis, mit dem diese Fähigkeit erhalten wird, bei einem Ja zur Initiative nicht mehr erlaubt. «Wir brauchen Zugang zum Ausland», betont Braunschweiler. Denn ohne den Austausch mit ausländischen Partnern könne die Ruag mit der technologischen Entwicklung nicht mithalten. Und bei einem Verbot von militärischen Lieferungen seien auch zivile Geschäfte bedroht, da beide Bereiche eng miteinander verflochten seien. «Viele der internationalen Grosskunden wie Airbus und Boeing würden bei einem Exportverbot von Kriegsmaterial auch im zivilen Bereich von Aufträgen an die Ruag absehen», ist der CEO überzeugt.
Ganze Region betroffen
Nächster Halt auf dem Rundgang durch die riesige Halle ist bei einem geschützten Mannschaftstransporter. In diesem Container können Soldaten sicher an ihren Zielort gelangen. Nyfeler präsentiert hier eine besondere Spezialität der Ruag: einen Material- und Computercontainer, der ein Faradaykäfig ist. Es wirkt das gleiche physikalische Prinzip, wie wenn ein Blitz in ein Auto einschlägt: Die elektrische Energie, die auf das Gehäuse trifft, fliesst aussen ab. Das schützt die hochsensiblen Geräte und die Mannschaft im Innern.
Braunschweiler meint: «Die Ruag hat sich zum international vernetzten Technologiekonzern weiterentwickelt.» Wenn Exporte ins Ausland nicht mehr erlaubt seien, würden in Thun 900 Arbeitsplätze wegfallen. 300 davon sind Stellen bei der Division Ammotec, die Kleinkalibermunition herstellt. Die restlichen 600 bei den Land Systems. Doch das wäre laut dem CEO nicht alles: «Die Ruag ist eingebettet ins Berner Oberland und ins Mittelland.» Will heissen, auch die zahlreichen heimischen Lieferanten würden leiden – und es gingen Steuereinnahmen verloren.
Von den insgesamt 4000 Schweizer Arbeitsplätzen der Ruag sind laut Braunschweiler 2000 bedroht.
«Ohne Waffen kein Friede»
Dennoch: Hat er nicht Verständnis für den Wunsch, Tote durch Schweizer Kriegsmaterial möglichst zu verhindern? «Frieden zu schaffen ohne Waffen, das ist eine Illusion», findet Braunschweiler. Es gehe auch darum, dass die Schweiz im Notfall ihre Unabhängigkeit verteidigen könne.
Zu den Rechtsprofessoren, die kürzlich die aktuelle Praxis von Kriegsmaterialexporten anprangerten, meint er: «Wir liefern an Länder, die einen ähnlichen Anspruch haben wie wir und bei bewaffneten Konflikten über ein Uno-Mandat verfügen.» Die Ruag sei dabei teilweise sogar strenger, als es das Kriegsmaterialgesetz vorschreibe. Deshalb habe er keine Gewissenskonflikte bei seiner Arbeit. Sagts und führt aus der Werkstätte hinaus ans helle Tageslicht.
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