4x4-Boom erreicht neuen Höhepunkt
Fast jedes zweite verkaufte Auto ist ein Wagen mit Allradantrieb. Der Boom torpediert die Klimaziele des Bundes. Die E-Auto-Lobby will Gegensteuer geben.

Fahrzeuge mit Allradantrieb werden immer beliebter. Letztes Jahr lag ihr Anteil an den Neuwagenverkäufen in der Schweiz bei 47,5 Prozent. Nun, im ersten Halbjahr 2018, sind es schon 48,4 Prozent – und damit fast doppelt so viel wie 2008; das zeigen neue Zahlen, die Autoschweiz gestern veröffentlicht hat.
Ob die «magische 50-Prozent-Marke» für das Gesamtjahr erreicht wird, macht die Vereinigung der Automobilimporteure vom Verlauf der Herbst- und Wintersaison abhängig. Der «4x4»-Erfolg zeigt für die Autolobby, wie sehr die Konsumenten «Sicherheits- und Komfortaustattungen» schätzen. Der Boom hat aber auch eine Kehrseite, wie Autoschweiz einräumt: Punkto CO2-Bilanz sei die zitierte Marke «kein erstrebenswertes Ziel».
In der Tat konterkariert das Kaufverhalten der Konsumenten die verschärften klimapolitischen Ziele, die das Volk mit seiner Zustimmung zur Energiestrategie 2050 gutgeheissen hat. Ab 2020 dürfen Neuwagen im Durchschnitt nur noch 95 statt wie heute 130 Gramm CO2 pro Kilometer ausstossen.
Letztes Jahr waren die Schweizer Autoimporteure mit mehr als 134 Gramm weit von dieser Grenze entfernt – und gar noch weiter als 2016. Denn erstmals überhaupt seit dem Start der offiziellen Statistik 1996 ist 2017 der durchschnittliche CO2-Ausstoss der Neuwagen im Vergleich zum Vorjahr angestiegen, wie diese Zeitung letzte Woche berichtet hat. Angesichts dieser Ausgangslage ist klar: Um das 95-Gramm-Ziel zu erreichen, braucht es mehr als den technischen Fortschritt, dank dem sich der Ausstoss der Fahrzeuge senken lässt. Nötig ist ein massiver Ausbau der Elektrofahrzeug-Flotte, wie das Bundesamt für Energie (BFE) klarstellt.
Die Branche hat sich deshalb zusammen mit dem Bund, den Kantonen und Städten zum Ziel gesetzt, den Anteil der E-Fahrzeuge an den rund 300'000 Neuzulassungen pro Jahr bis 2022 von heute 2,7 auf 15 Prozent zu erhöhen, also von 8000 Fahrzeugen heute auf etwa 45'000 pro Jahr. Geladen zu diesem runden Tisch im Mai hatte Energieministerin Doris Leuthard (CVP).
Kritik am Bundesrat
Keine Option, zumindest für den Bund, sind Kaufprämien. Auch sonst ist noch ziemlich unklar, wie diese E-Offensive aussehen soll, zumal namentlich der Bundesrat eine Politik betreibt, welche den Zielen des runden Tisches zuwiderläuft. Dies findet jedenfalls Jürg Grossen. Der Berner Nationalrat präsidiert nicht nur die Grünliberalen, sondern auch den Verband Swiss E-Mobility.
Grossen stört sich an den Erleichterungen, die der Bundesrat den Autoimporteuren im Rahmen des 95-Gramm-Ziels gewähren möchte. Geplant ist, nicht 2020, sondern erst 2023 die ganze Schweizer Neuwagenflotte zur Berechnung des CO2-Durchschnitts heranzuziehen. 2020 sollen es erst die «saubersten» 85 Prozent der Wagen sein.
Nebst diesem Phasing-in sind auch sogenannte Supercredits vorgesehen: Autoimporteure sollen sich emissionsarme Fahrzeuge, worunter E-Fahrzeuge fallen, mehrfach anrechnen lassen dürfen. Damit kann ein Importeur seinen CO2-Flottenwert bestenfalls unter die 95-Gramm-Grenze drücken, obschon dieser in Tat und Wahrheit höher liegt. Gelingt ihm dies, bleiben ihm Bussen erspart. Zur Einordnung: Die Autoimporteure mussten von 2015 bis 2017 insgesamt 18 Millionen Franken Strafzahlungen leisten.
Die E-Auto-Lobby fordert nun einen Verzicht auf Phasing-in und die Supercredits – obschon Zweiteres als Anreiz dienen soll, vermehrt Elektroautos auf den Schweizer Markt zu bringen. Jürg Grossen sieht darin jedoch einzig den Versuch, «CO2-Schleudern länger importieren zu können». Der Bundesrat lehnt beide Motionen von Grossen ab.
Bussen für E-Offensive?
Hängig ist ein weiterer Vorstoss von Grossen. Demnach sollen die Strafzahlungen der Autoimporteure nicht mehr wie heute in den Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrsfonds (NAF) fliessen. Der Bund soll dieses Geld – oder einen Teil davon – vielmehr bereitstellen, um eine möglichst flächendeckende Ladeinfrastruktur für E-Autos aufzubauen. Auch diese Motion lehnt der Bundesrat ab. Dies sei Aufgabe der Privaten.
Autoschweiz dagegen kann sich eine solche Umlagerung vorstellen, allerdings unter der Bedingung, dass das Geld auch in Ladeinfrastrukturen für andere Antriebsarten wie Wasserstoff oder Gas fliesst. «Unser oberstes Ziel bleibt es aber, Bussen möglichst zu vermeiden», stellt Autoschweiz-Direktor Andreas Burgener klar. Deshalb unterstütze der Verband das Phasing-in und die Supercredits «mit Nachdruck».
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