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BLS-Werkstätte: Regierung hält sich im Hintergrund
In der Kontroverse um die neue BLS-Werkstätte will sich die Berner Regierung einstweilen zurückhalten.
Das Areal von Ruag und Armasuisse in Thun-Nord ist zwar eine Variante. Trotzdem peilt auch die Begleitgruppe, die Alternativen zu einer BLS-Werkstätte in Riedbach entwickeln soll, die grüne Wiese an.
Ohne Kulturland zu opfern, werde es nicht gehen. Leider, wie Bernhard Antener beifügte. Der Präsident der Begleitgruppe, die im Auftrag der BLS weitere Areale für die umstrittene neue Werkstätte sucht, zog vor den Medien Bilanz über die Arbeit der ersten acht Monate.
Und machte dabei klar, wo die Alternative zum umstrittenen Standort im Westen der Stadt Bern liegt: Statt bei Riedbach könnte die bis zu 20 Hektaren grosse Anlage auch im Chonolfingenmoos in Konolfingen stehen – in einem ebenso bäuerlich geprägten Gebiet.
Und in einem Gebiet, das neben den Bauern auch die Anwohner kaum freuen wird. Sie sind heute an ruhiger Lage mit herrlicher Sicht daheim (siehe Kasten).
Gelockerte Kriterien
Als die BLS vor Jahresfrist mit ihren Plänen für Riedbach an die Öffentlichkeit trat, gab weniger der Lärm zu reden, den der Zuzug einer rund um die Uhr tätigen Werkstätte zur Folge haben würde. Für Aufruhr sorgte vielmehr, dass dem Projekt Kulturland in einer intakten bäuerlichen Landschaft geopfert werden sollte.
Und dass – das Tüpfelchen auf dem i – ein Heimet dem Erdboden gleichgemacht werden müsste. Das Chonolfingenmoos war bereits von der BLS unter die Lupe genommen worden, dann aber früh ausgeschieden.
Dass sich die Lage nun, da die Standortsuche in die zweite Runde geht, etwas anders präsentiert, hängt mit den gelockerten Kriterien zusammen. So kamen für die Begleitgruppe auch Areale infrage, die nur auf einer Seite ans bestehende Gleis angeschlossen werden können.
Weil der laufende Unterhalt und die nur alle paar Jahre fälligen Grossrevisionen nicht mehr auf einen Ort konzentriert sein sollen, kommen schon Flächen ab 10 Hektaren infrage. Rodungen von kleineren Waldstücken sind nicht mehr tabu, und sie dürfen auch weiter als 20 Kilometer vom S-Bahn-Knoten Bern entfernt liegen.
Gerade diese letzte Lockerung dürfte einer zweiten Alternative zugute gekommen sein. Die Begleitgruppe schlug auch den bereits überbauten Entwicklungsschwerpunkt Thun-Nord als möglichen Standort vor.
Antener relativierte indes sogleich, dass Ruag und Armasuisse als Landeigentümer nicht sehr erfreut reagiert hätten. Und dass fraglich sei, ob die beiden Bundesbetriebe den nötigen Boden bis 2025 freimachen könnten, wenn die Werkstätte stehen müsse.
Sogar drei Standorte?
Ursprünglich wollte die Begleitgruppe keine Insellösungen mitten im Landwirtschaftsgebiet zulassen. Dass sie trotzdem den offiziellen BLS-Standort Riedbach sowie die schon früher genannte Ausweichvariante Niederbottigen weiter verfolgt, begründete Antener mit der Nähe zu Bern.
«Je näher die Anlage zur Stadt rückt, umso weniger kann man von einem Bau auf der grünen Wiese reden», sagte er. Und ergänzte, dass die Gruppe den Radius für einen Standort in Bern-West sogar ausgeweitet habe – auf das ganze Gebiet zwischen dem Stadtrand bei Brünnen und dem Kleinen Forst.
Dass es so wenige Alternativen gibt, hat laut Antener auch mit den Zufahrtsstrecken zu tun. So fallen sämtliche Standorte an den Linien nach Olten und Biel allein deshalb weg, weil das Nadelöhr Bern-Wankdorf nicht noch mehr Züge schlucken kann.
Dafür, der Präsident wiederholte es, werde die Anlage ja nicht 20 Hektaren gross. Wenn sie nur auf den laufenden Unterhalt ausgelegt werde, sei weniger Land nötig – für die Grossrevisionen rücke dann wieder die Werkstätte Bönigen in den Fokus, welche die BLS eigentlich schliessen möchte.
Bönigen wäre dann der dritte Werkstättenstandort – neben jenem eben, auf dem der Neubau zu stehen kommen wird. Und neben Spiez, wo die Bahn die bestehende Infrastruktur total umbaut.
Entscheid bis im Herbst
Chonolfingenmoos, Thun-Nord oder Bern-West – die Begleitgruppe will diese Standorte nun vertieft abklären. Im Herbst formuliert sie ihre Empfehlung an die BLS.
Für den Konolfinger Gemeindepräsidenten Daniel Hodel (SVP) haben die Pläne für eine mögliche BLS-Werkstätte im Chonolfingemoos zwei Seiten: «Zum einen kann dies eine grosse Chance sein, Arbeitsplätze in unsere Gemeinde und unsere Region zu holen», sagt er. Zum anderen bringe ein solcher Betrieb aber immer Emissionen mit sich, vor allem in Form von Lärm und Mehrverkehr.
Das Land im Chonolfingemoos gehört vor allem Landwirten, die es bewirtschaften. «Es ist deshalb absehbar, dass es hier ähnliche Diskussionen geben wird wie am ursprünglich vorgesehenen Standort in Bern-Riedbach.» Etwas weiter südlich im Hünigenmoos wehren sich Landwirte zudem gegen das Hochwasserschutzkonzept Chisebach, weil sie Kulturland für Rückhaltebecken hergeben müssten. Der Fall liegt im Moment beim Verwaltungsgericht.
Hodel geht auch davon aus, dass die Anwohner am Hang rund um die Burgdorfstrasse dem Projekt gegenüber kritisch eingestellt sein werden. Zwar würde ihnen die Werkstätte im Moos unten die Sicht auf die Alpen nicht nehmen; der Lärm könnte aber störend sein.
Grundsätzlich hält Hodel einen Standort in Bern-West für besser, weil Konolfingen auf derselben Seite der Stadt Bern liegt wie die unbestrittene bisherige Werkstätte in Spiez. Anders als in Bern-West sei zudem der Platz zu knapp dafür, zusätzliche Abstellfläche für die SBB zur Verfügung zu stellen, wie die BLS dies eigentlich wünsche. (sar)
Die Stadt Thun ist gegen eine BLS-Werkstätte im Entwicklungsschwerpunkt Thun-Nord. Das Areal sei von höchstem kantonalem Interesse, damit dort die wirtschaftliche Entwicklung vorangetrieben werden könne. Die Ideen der Begleitgruppe BLS würden diese Pläne durchkreuzen. «In Thun stehen grosse regionale Entwicklungschancen auf dem Spiel», wird Stadtpräsident Raphael Lanz (SVP) in einer Mitteilung zitiert. Zudem werde die Planungssicherheit für Investoren gefährdet. (sar)
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