Nächtliches Drama am Achttausender18 Stunden zwischen Triumph und Tod
Kim Hong-bin bezwingt als erster Mensch mit Behinderung alle 14 Achttausender, doch beim Abstieg vom letzten Gipfel passiert das Unglück. Nun gibt es schwere Vorwürfe an andere Bergsteiger.

Es ist nicht einmal zwei Wochen her, da schrieb Kim Hong-bin, genannt «Der Mann ohne Finger», Alpingeschichte. Am 18. Juli, um 16.58 Uhr, erreichte der 56 Jahre alte Südkoreaner den Gipfel des Broad Peak im Karakorum-Gebirge, 8051 Meter hoch, den letzten Achttausender, der ihm noch fehlte. Somit ist er laut der Union der Asiatischen Alpin-Verbände der erste Mensch mit Behinderung, der die 14 höchsten Berge der Erde bezwungen hat. Präsident Moon Jae-in gratulierte auf Twitter: «Du hast den corona-müden Menschen Stolz und Hoffnung gegeben.»
Nur feiern kann Kim diesen Triumph nicht mehr. Beim Abstieg ist er abgestürzt.
Kims Geschichte ist die eines Mannes, der für sich selbst keine Zukunft mehr sah – und dann aus der Vergangenheit neue Kraft schöpfte. Es ist aber, zweitens, auch eine Geschichte über den schmalen Grat zwischen Sich-selbst-überwinden und Zu-viel-wollen. Und drittens ist es, so scheint es zumindest, auch eine Geschichte über fehlende Hilfsbereitschaft am Berg.
1991 verlor Kim all seine Finger. Bei einem Versuch, den höchsten Berg Nordamerikas zu besteigen, den 6190 Meter hohen Denali, schlief er aus Erschöpfung ein und wurde erst 16 Stunden später gerettet. Seine Finger waren erfroren, auch die Handrücken waren abgestorben. Zurück blieben nichts als Stümpfe. Erst nach drei Monaten konnte er das Krankenhaus in Alaska verlassen.