18 Monate vor den US-Wahlen läuft das Kampagnentheater schon
Obamas Herausforderer schiessen scharf. Der Wahlkampf beginnt, die Tagespolitik in Washington zu lähmen.

Es werden, mal hier, mal dort, Debatten zwischen Kandidaten veranstaltet. Umfragen ermitteln die jeweiligen Stärkeverhältnisse. Die Bewerber sammeln unterdessen Spenden und produzieren sich, wo immer ihnen eine Bühne winkt.
Auch erklären sie offiziell ihre Kandidaturen: Er sei nun Präsidentschaftsbewerber, erklärte der republikanische Politiker Mitt Romney vergangene Woche im wichtigen Vorwahlstaat New Hampshire. Die Vereinigten Staaten bräuchten ihn, denn Barack Obama habe das Land «im Stich gelassen». Derweil bereiste Sarah Palin im Bus die amerikanische Ostküste und nährte damit neuerlich Spekulationen, sie wolle wirklich ins Weisse Haus.
Aufgeplustert, angebiedert
Problematisch am politischen Theater ist, dass noch beinahe anderthalb Jahre bis zum Wahltag verstreichen werden – anderthalb Jahre, in denen der permanente Wahlkampf, untermalt vom nie verklingenden Trommelwirbel der amerikanischen Medien, nicht nur die Wähler stört, sondern Staat und Regierung gleichermassen lähmt. Denn die Politik unterwirft sich dem Wahlkampf: Krampfhaft überlegt das Sortiment der Kandidaten, von Barack Obama bis zu seinen republikanischen Herausforderern, wie diese oder jene Aktion die Wählerschaft beeinflussen könnte.
«Bezüglich des Staats wird so gut wie jede Frage darin münden, wer der nächste Präsident sein wird», erschrak bereits 1788 Gründervater Alexander Hamilton. Ob die dringende Reform der Einwanderungsgesetze oder andere wichtige Vorhaben: Nichts geht mehr vor dem Hintergrund eines bizarren Wahlkampfs, bei dem sich eine Handvoll Kandidaten im Frühling 2011 über etwas streitet, das erst im November 2012 entschieden werden wird. Man plustert sich auf, biedert sich an, klopft Sprüche – und sammelt Geld. Eine Milliarde Dollar möchte Amtsinhaber Obama für den Wahlkampf auftreiben.
Seine republikanischen Widersacher lassen bereits vor Beginn ihres Vorwahlkampfs nimmermüde den Klingelbeutel kreisen, um beim innerparteilichen Ausscheidungskampf mit TV-Bombardement und sonstigen Techniken die Konkurrenz auf die Plätze zu verweisen. Dass die republikanischen Urwahlen erst im Januar 2012 beginnen, hält keinen der Präsidentschaftsbewerber davon ab, kreuz und quer durch die Lande zu reisen und sich als veritablen Wunderheiler für Amerikas Probleme anzupreisen. Zumal schon endlos die Debatte tobt, ob Obama angesichts der schlechten konjunkturellen Perspektiven überhaupt eine zweite Amtszeit gewinnen könne.
Untergangsstimmung
«Es ist die Wirtschaft, du Dummerchen», so hatte der demokratische Stratege James Carville 1992 den Kern des Clinton-Wahlkampfs beschrieben. Nun prophezeit er, Obamas Wiederwahl werde «sehr, sehr hart» werden, ja sogar Unruhen könnten angesichts der miesen Konjunktur nicht ausgeschlossen werden. In der Tat: Die Arbeitslosenrate liegt bei mehr als neun Prozent, die Immobilienpreise sinken weiter, und entsprechend miserabel ist die Stimmung. Kulturpessimismus grassiert, der Untergang Amerikas wird beschworen.
Für Barack Obama, der den Wählern 2008 «Hoffnung» und «Wandel» versprach, könnte es daher im November 2012 eng werden. Schliesslich sei die Wirtschaftslage «eine grosse Schwachstelle für die Regierung», so der Befund des bekannten Princeton-Historikers Julian Zelizer. Als stände der Wahltag vor der Tür, wird unablässig wiederholt, kein Präsident seit Franklin Roosevelt sei mit einer derart hohen Arbeitslosenrate wiedergewählt worden. Damit nicht genug, ergeht sich die republikanische Kandidatenriege tagtäglich in Plattitüden: runter mit den Steuern, weg mit Regulierungen – als ob die amerikanischen Unternehmen nicht auf Rekordmengen von Cash sässen und das Problem nicht eher bei der mangelnden Nachfrage von Verbrauchern zu suchen wäre, denen das Wasser bis zum Halse steht.
Der Stab des US-Präsidenten ist kaum weniger verwirrt: «Wir sollten nicht wie Amtsinhaber vorgehen, sondern wie Aufständische», hat sein Wahlkampfmanager Jim Messina unlängst erklärt. Wie Fidel Castro einst mit Mitkämpfern aus der Sierra Madre in Havanna eingefallen sei, müsse Obama mit den Seinen erobern, was ihnen bereits gehört: das Weisse Haus.
Nicht aller Tage Abend
So regt sich die Einbildungskraft in allen Lagern, doch trübt bisweilen Realität die halluzinogenen Visionen: Mehr als zwei Drittel aller Amerikaner gaben diese Woche zu Protokoll, sie würden «definitiv nicht» für Sarah Palin stimmen. Doch bis zum Wahltag kann sich manches ändern. Darin liegt der Reiz des permanenten Wahlkampfs: Möglich ist nahezu alles, weil jeder Tag neue Überraschungen birgt und es noch viele Tage bis zum Wahltag sind.
Dem Präsidenten läuft die Zeit dennoch davon: Dümpelt die Wirtschaft weiter, wird man ihm womöglich den Laufpass geben. Die US-Medien scheinen sich 18 Monate vor der Wahl auf diese Sichtweise geeinigt zu haben. Das legen die Kommentare nahe. In sechs Monaten kann alles anders sein.
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